Ein Rückblick auf die Anfänge der Juist-Stiftung Ehrenvorsitzender Dieter Brübach erinnert sich
Dieter Brübach war erster Vorstandsvorsitzender bis 2015 und ist jetzt Ehrenvorsitzender der Juist-Stiftung. Die Fragen stellte Heinz Alenfelder, Mitglied im Rat der Juist-Stiftung.
Heinz: Moin Dieter. Mir sind da kürzlich Notizen zu den Anfängen der Juist-Stiftung in die Hände gefallen, die du vor einigen Jahren auf Nachfrage von Christiane Wittich gemacht hast. Ich lese mal den Anfang vor:
„Also gut, wie fang ich denn an…?“ frage ich Christiane Wittich. Und die „Erzähl mal ein bisschen“ – Ich geh zurück ins Jahr 2004. Klaus Rosenbohm murrt über das bescheidene Hotel, eher ein Landgasthof mit Zimmern, aber für eine Nacht geht das schon. Es ist Herbst. Wir möchten eine Band kennenlernen, „Yellow-Moon“. Die kommen aus der Hamburger Gegend und haben ihren Auftritt an diesem Sonntagmorgen in einem kleinen Ort vor den Toren Hamburgs. Eine Gaststätte mit einem kleinen Saal ist der Veranstaltungsort. Es ist rappelvoll, gute Musik und gute Stimmung. Nach dem Konzert sprechen wir mit den Bandmusikern, werden uns einig und engagieren sie für unser „Töwerland Music-Festival“ zu Himmelfahrt im nächsten Jahr. Das wird ein Kracher. Das Music-Festival organisieren wir mit Erfolg seit 1999. Klaus ist 3 Jahre älter als ich, wir verstehen uns gut. Doch irgendetwas gärt unter der Oberfläche und ich beschließe nach dem Himmelfahrtsfest 2005, mich von Klaus zu trennen. Möchte mit einigen Juister Freunden selbst was auf die Beine stellen. Doch das geht schief. Ich stehe allein vor einem Scherbenhaufen. Klaus macht das Festival weiter, bei mir ist gähnende Leere.
Heinz: Ich möchte dir für diese sehr persönliche „Vorgeschichte“ der Juist-Stiftung danken und habe mir einige Fragen überlegt. Als erste: Wie ging es denn dann weiter oder besser: Wie ging es richtig los?
Dieter: Ja, es gibt noch die Freunde, Michael Bockelmann, André Ebbighausen, Meint Habbinga, Uda Haars, Uta Jentjens, Dieter Rother und unser Senior Hans Kolde. Wir sprechen seit dem Frühsommer 2005 über alles Mögliche: Förderverein, Verein e.V., Satzungen etc. Das Ziel hat stets auch was mit Musikveranstaltungen zu tun. Nach einiger Zeit kommt André Ebbighausen mit der Idee einer Bürgerstiftung. Da wurde schon einmal auf Juist drüber gesprochen, scheiterte aber daran, dass die Initiatoren politisch stark engagiert waren. Lange reden wir darüber. Ich weiß gar nicht, was eine Stiftung ist und macht. Bürgerstiftung kenne ich nicht. Aber André, er kennt auch Alfred Janßen von der OLB und der ist dort zuständig für die Stiftung der OLB und andere Stiftungen. Wir laden ihn ein und kurzfristig kommt er nach Juist.
Heinz: Das war dann wohl so im Sommer oder Herbst 2005?
Dieter: Ich weiß das noch ziemlich genau, es ist Juni 2005. Wir treffen uns im Café Baumanns und Alfred Janßen erzählt uns interessante Dinge. Er spricht über Spender, Stifter, Zustifter, Zeitstifter und wieviel Kapital angespart werden sollte, um eine Bürgerstiftung zu gründen, nämlich ca. 40.000 €. Wie man vorgehen muss: Satzung, Vorstand und Stiftungsrat. Musikveranstaltungen können wir durchführen, aber kein Geschäft daraus machen, die Bürgerstiftung ist gemeinnützig. Mir qualmt der Kopf. Der Erfolg dieses Tages ist: Wir wollen es machen, alle wollen es machen. Janßens Drähte sind weit verzweigt. Er kennt so viele Leute, die mit der Materie befasst sind. Schnell stellt er Verbindungen her.
Heinz: Ich denke, dass Banken den Stiftungen stark unter die Arme gegriffen haben. Doch haben die natürlich wegen des Vermögens auch ein gewisses Eigeninteresse. War das nicht hinderlich?
Dieter: Keineswegs. Es gibt ja nicht nur die Banken. Bei der Satzung hat uns zum Beispiel Frau Dr. Alexandra Schmied von der Bertelsmann-Stiftung beraten. Doch lass mich weitererzählen: Von nun an treffen wir uns wöchentlich. Wir gewinnen Armin Stoll, der sich ziemlich gut in der IT-Branche auskennt und eine Web-Seite von uns ins Netz stellt. Dieter Rother entwirft ein Logo. Ein Flyer wird entworfen und gedruckt: Unsere Ziele für die Bürger der Insel Juist. Wir nennen es die JUIST-STIFTUNG und sammeln jede Menge Adressen. Wer könnte sich dafür interessieren, wer stiftet, wer arbeitet ehrenamtlich mit, etc.? Diese Juister Bürger und Juister Gäste mit Eigentum auf der Insel, erhalten einen wohlformulierten Brief. Es entsteht die Idee einer Bürgerversammlung; und sie findet statt. Am 26. September 2005 ist es soweit.
Heinz: Oh, so schnell konnte das gehen. Wie erfolgreich wart ihr denn dabei?
Dieter: Die Informationsveranstaltung im Haus des Kurgastes findet mit großer Beteiligung statt. Von der Initiative Bürgerstiftungen im Bundesverband kommt Frau Dr. Nilkens und begleitet diesen Abend. Alfred Janßen als Stiftungsberater ist auch gekommen. Wir sitzen in einer Reihe mit Tischen vor uns, jeder mit einem Mikro. Sechs, die was bewegen wollen. Und Frau Dr. Nilkens sagt den markanten Satz: „Diese Sechs wissen was sie wollen“. Zuvor hat sie von ihrer Bürgerstiftung in Herten berichtet und es wird uns bewusst, dass einige Hürden zu nehmen sind. An diesem Abend haben wir Gelegenheit, in kurzen Worten die Ziele unserer Stiftung zu erläutern. Anwesend waren Meint Habbinga, Michael Bockelmann, Uta Jentjens, André Ebbighausen, Uda Haars und ich. Wir bedanken uns bei den Referenten, die sich für uns kostenlos auf den Weg gemacht haben. Jeder Zuhörer bekommt einen Button mit dem Logo der Juist-Stiftung.
Heinz: Abgesehen von den Formalien, was waren denn nach der Versammlung die größten Herausforderungen für eure Gruppe?
Dieter: Natürlich sind wir ziemlich unsicher, aber wir spüren, dass diese Bürgerversammlung uns weit nach vorn bringt. Es gibt ein großes Interesse, obwohl Frau Dr. Nilkens über ihre Stiftung nicht unbedingt in rosaroten Farben berichtet, zumindest was den Einstieg betrifft. Nach einiger Zeit läuft es aber gut in Herten. Wir von der Juist-Stiftung knien uns richtig rein in 2005. Wöchentliche Arbeitstreffen sind gefordert und nach acht Monaten sehen wir den Erfolg.
Heinz: Gab es denn noch weitere Informationsveranstaltungen vor der eigentlichen Gründungsversammlung oder wie habt ihr informiert und eingeladen?
Dieter: Wir nutzen jede Gelegenheit, mit unserer Idee an die Öffentlichkeit zu gehen und uns zu präsentieren. Etwa beim Erntedankfest, Inselabend, Hafenfest, etc. Es ist spannend, die Menschen zu beobachten. Hier sprechen sich ja die Dinge ziemlich schnell rum. Wer etwas dazu sagen kann, tut das auch. Aber dies Thema ist neu, nicht vertraut. Also macht man einen Bogen um den Stand. Doch kommen auch Leute, die spontan stiften und damit zu Gründungsstiftern der Bürgerstiftung werden. Manche probieren es anders, obwohl sie schlecht informiert sind. Sätze wie: „Das sind doch Aufgaben für die Gemeinde, die müssen sich darum kümmern. Von mir keinen Cent.“ Da muss man einfach ruhig bleiben.
Heinz: Und das Startkapital? Wie siehst du das heute im Rückblick? Wäre es auch mit weniger gegangen, denn es gibt ja kein Mindestkapital für Stiftungen?
Dieter: Ja, wir hätten auch mit weniger anfangen können. Doch wir sind nicht blauäugig – mit 5000 € lässt sich gar nichts machen, mit 40.000 € könnte man starten. Aber nach relativ kurzer Zeit sind wir uns sicher, dass wir mehr können, weil wir sehr gute Unterstützung finden. Wir setzen uns damit intensiv auseinander, wen wir als Stifter und Stifterinnen oder Gründer und Gründerinnen ansprechen. Da stellen wir einen persönlichen Kontakt her. In vielen Fällen funktioniert das. Am Ende sind es bei der Gründungsversammlung 106.184,00 €. Unsere Gründungsstifter sind überrascht und wir sehr stolz.
Heinz: Kannst du denn noch etwas über das allererste Projekt sagen?
Dieter: Finanziell unterstützt werden zuerst die Klassiktage Juist am 29. und 30. Juli 2007. Doch schon vor der Gründung werden viele Projekte auch ideell unterstützt. Das tun wir auch heute noch. So wird auch die Idee zum Sammeln von Musikinstrumenten für die Juister Kinder ins Leben gerufen. Jedes Kind soll ein Wunschinstrument bekommen mit dem dazugehörigen Unterricht. Leider fehlt es da an Zeitstiftern. Somit ist dieses Projekt gescheitert. Auch in 2007 werden Bänke für die Gegend um die Goldfischteiche von der Juist-Stiftung angeschafft. Jede Bank ist mit einem philosophischen Spruch versehen. So kann man neben dem Ausruhen einen interessanten Spaziergang machen. Wir berichten zeitnah auf unserer Webseite über alle Ereignisse.
Heinz: Ja genau, die Webseite berichtet immer aktuell über die Arbeit der Aktiven. Auch die älteren Texte sind ja einsehbar im Archiv. Da habe ich den Bericht über die Verleihung des Gütesiegels angeschaut.
Dieter: Ja, das Gütesiegel vergibt die Initiative Bürgerstiftungen im Bundesverband deutscher Stiftungen. Der Bundesverband ist bis heute sehr wichtig für unsere kleine Stiftung. André Ebbighausen, Michael Bockelmann und ich haben sie schon 2005 bei einem Workshop in Oldenburg kennen gelernt, Kontakte geknüpft und können gerade in den ersten Jahren viele Fragen gleich telefonisch klären. Prof. Dr. Küstermann vom Bundesverband berät uns immer wieder und kommt dann auch mit dem Journalisten und Berater Dr. Ulrich Brömling zum Stifterfest 2008 nach Juist. Er lobt unsere Arbeit. Also ich möchte der Juist-Stiftung ohne Mitgliedschaft im Bundesverband nicht angehören!
Heinz: Na, das ist ja schon fast ein Schlusswort. Aber eine persönliche Frage habe ich noch an dich: Wo siehst du die Stiftung in fünf Jahren?
Dieter: Das ist eine schwere Frage. Ich möchte hier mal feststellen, dass die Juist-Stiftung keine elitäre Institution ist, die beliebig den Geldhahn auf- und zudrehen kann. Wir haben eine grundsolide Satzung, die auch streng eingehalten wird. Unser Fundament ist ein Pool von bisher 600 Spenderinnen und Spendern. Die Zustiftungen und Spenden bewegen sich in einstelliger bis fünfstelliger Höhe, wie der Geldbeutel des Einzelnen das hergibt. Die Bürger unterstützen ja den Gedanken und die Idee, die hinter einer Bürgerstiftung steht. Das Geld ist angelegt, die Gewinne werden gemäß der Satzung für die einzelnen Ziele verwendet.
Wenn wir solide weiterarbeiten, uns auf das Fundament stützen, haben wir gute Chancen, weiterhin mit zu den herausragenden Bürgerstiftungen in Deutschland zu gehören. Ich würde mich aber freuen, wenn wir wieder mehr auf den Bürger zugehen. Das kann geschehen, indem wir uns bei jeder Gelegenheit präsentieren und das Gespräch suchen bei Veranstaltungen und Festen. Vor allem müssen wir sehr viel Gewicht auf die Zeitstifter legen. Die können nämlich die Juist-Stiftung unterstützen und am Leben erhalten. Beispiel: Herbst 2007 Goldfischteiche oder noch aktuell die Mund-/Nasenmasken zum Schutz für den Coronavirus.
Heinz: Vielen Dank für diese lebhafte Geschichtsstunde über die Anfänge der Juist-Stiftung!